Auswandern nach Neuseeland_Interview

Auswandern nach Neuseeland muss nicht für immer sein – Interview mit Andi aus Christchurch

Interviews

Ich schreibe auf dem Kiwifinch-Blog übers Auswandern nach Neuseeland und habe dadurch jede Menge deutschsprachige Neuseeland-Auswanderer kennengelernt. Jeder hat seine ganz eigene Auswanderer-Geschichte und auch jeder Visa-Antrag läuft anders ab. Ich hoffe mit meinen Interviews den ganzen Prozess und den Ablauf einer Auswanderung nach Neuseeland etwas anschaulicher und greifbarer zu machen. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich die Gesetze rund um Einwanderung in Neuseeland ständig ändern!
Für das heutige Interview habe ich mit Andi gesprochen. Er ist Betriebswirt und lebt mit seiner Frau Katharina und seinem kleinen Sohn in Christchurch auf der Südinsel. Vielen Dank Andi für das ausführliche Interview!

Wann hattet ihr die Idee auszuwandern und wie seid ihr auf Neuseeland gekommen?

Die Idee einmal wieder etwas Neues und Aufregendes zu machen kam Mitte 2012. Vom Auswandern haben wir damals und auch später nicht gesprochen – man weiß ja nie was kommt. Das Land sollte englischsprachig sein, die USA war nicht mehr so attraktiv, Kanada zu kalt, England zu nass, Australien zu heiß… Katharina wollte schon immer mal nach Neuseeland um Urlaub zu machen und mir war es eigentlich egal. Hauptsache weg! Da haben wir uns Neuseeland etwas näher angeschaut.

 Wart ihr vor der Auswanderung schon mal in Neuseeland?

Wir waren vor der Auswanderung nicht in Neuseeland. Durch Erzählungen von Familie und Freunden, TV-Dokumentationen und übers Internet haben wir uns einen guten Eindruck verschaffen können. Tatsächlich nach Neuseeland zu fliegen und hier Urlaub zu machen, hätte diesen Eindruck nur bestätigt.

Auswandern nach Neuseeland: Andi und Katharina

Andi und Katahrina am Mt. John Observator, Lake Tekapo

Wie haben Deine Eltern reagiert als ihr das erste Mal gesagt habt dass ihr nach Neuseeland auswandern wollt?

Auswandern hört sich so endgültig an, und das sollte es nicht sein. Wir wollten das Leben in Neuseeland für 2-3 Jahre ausprobieren. Unsere Eltern waren schon etwas besorgt, enttäuscht und haben auch geweint. Als Trostpflaster haben wir dann gleichzeitig unsere Verlobung bekanntgegeben. Heute ist das alles kein Problem mehr. Wir skypen oft und bekommen immer wieder Care-Pakete aus Deutschland zugeschickt.

Welchen Beruf hattest Du in Deutschland?

Ich bin gelernter Speditionskaufmann, später noch das Studium zum Betriebswirt. Zuletzt habe ich 4 Jahre im Supply Chain eines kleineren Elektronik Einzelhändlers gearbeitet. Katharina hat Arbeits- und Organisationspsychologie studiert und vorher mehrere Jahre in einer Personalabteilung gearbeitet.

 Wie lange im Voraus habt Ihr angefangen die Auswanderung nach Neuseeland zu planen?

Wir haben etwas länger als ein Jahr gebraucht um das nötige Geld anzusparen und alles vorzubereiten. Da kommt schon einiges auf einen zu.

 Wann seid Ihr nach Neuseeland ausgewandert?

Ankunft war am 9. September 2013. Empfangen wurden wir von neuen Freunden, die wir während der Vorbereitungszeit kennen gelernt haben. Sie haben uns sehr geholfen hier zurecht zu kommen und wir haben heute noch Kontakt. Sie sind allerdings 2015 wieder zurück nach Deutschland gegangen.

Fandest Du es schwer es wird einen Job zu finden?

Durch unseren Immigration Advisor Peter Beiner von Instant Immigration waren wir etwas vorbereitet: Wie die Möglichkeiten sind, was es mit der Skills Shortage List auf sich hat und welche Anforderungen der neue Arbeitgeber erfüllen muss, um einen Ausländer anzustellen zu können. Auch die Information, dass zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar quasi Stillstand auf dem Arbeitsmarkt herrscht, war hilfreich und so konnten wir uns darauf einstellen. Aus dem Grund sind wir Anfang September eingereist und waren davon ausgegangen, dass es innerhalb von drei Monaten klappen sollte einen Job zu finden. Dem war leider nicht so.

Warst Du in Neuseeland als Du Dich beworben hast oder hast Du das von Europa aus gemacht?

Wir haben in Neuseeland angefangen uns zu bewerben. Unsere Berufe standen nicht auf der Skills Shortage List, so dass es keinen Sinn gemacht hätte sich von Deutschland aus zu bewerben oder sogar direkt ein Residence Visa zu beantragen.

Wie lange hat es gedauert bis Du dann Deinen ersten Arbeitsvertrag unterschrieben hast?

Wie gesagt, wir hatten gedacht es würde mit dem Job innerhalb der ersten 3 Monate klappen. Mit der Jobsuche angefangen haben wir in Auckland, da dort die meisten Firmen ihren Sitz haben. Aber auch das Angebot an Arbeitskräften ist dort sehr viel größer, was die Jobsuche dort aus jetziger Sicht deutlich schwieriger gemacht hat. Obwohl ich des öfteren in die engere Auswahl gekommen war, mit zweitem Interview usw, hat es einfach nicht sollen sein. Es ist eben auch eine Hürde für die Unternehmen einen Ausländer ohne Arbeitsvisum einzustellen. Wir haben uns immer ein paar Wochen lang beworben und sind dann wieder 1-2 Wochen auf der Nordinsel gereist, um das Land kennen zu lernen.

Im Januar setzten wir dann auf die Südinsel bzw. das Mainland über. Dann ging eigentlich alles ganz schnell. Innerhalb von 4 Wochen hatte ich zwei  Job-Angebote und am 21. Februar 2014 habe ich den Arbeitsvertrag unterschrieben – etwas über 5 Monate nach der Einreise.

Auswandern nach Neuseeland - Interview mit Andi

Sonnenuntergang am Meer, New Plymouth

Auf welchem Visum hast Du gearbeitet als Du in Neuseeland Deinen ersten Job angenommen hast?

Eingereist sind wir als Touristen und mit meinem Job-Angebot konnten wir dann das Work Visa beantragen. Das wurde nach einigen Wochen ausgestellt und die Laufzeit belief sich auf fünf Jahre, was eher ungewöhnlich ist. Ich konnte am 7. April 2014 anfangen zu arbeiten. Katharina hat gleichzeitig ein Partnervisum erhalten (Open Work Visa) und konnte einen beliebigen Job annehmen. Ich war dagegen mit meinem Visum an das Unternehmen ‘gebunden’.

Hast Du Dein Visa mit oder ohne Auswanderungsberater beantragt?

Das Work Visa haben wir mit Auswanderungsberater gemacht. Seine Tipps waren sehr hilfreich und die Vorbereitungen wären ohne ihn nicht so möglich gewesen. Es kostet zwar einiges, aber das ist es wert. Das Residence Visa haben wir dann später alleine beantragt, da man fast die gleichen Unterlagen braucht. Das war dann auch überhaupt kein Problem und hat sofort geklappt.

War Dein erster Job in Neuseeland eher ein Kompromiss oder warst Du voll zufrieden mit der Stelle?

Ich bin immer noch bei der Firma und mir gefällt mein Job. Kompromisse und Ansprüche hängen zunächst von den eigenen finanziellen Mitteln ab, wie dringend man den Job braucht oder wie sehr man in Neuseeland bleiben möchte. Es gibt Kriterien (z.B. auch ein Mindestgehalt), die das Jobangebot erfüllen muss, sodass man mit den Gehaltsansprüchen gar nicht unendlich billig werden kann/muss.

Gibt es für deutsche Einwanderer mit Deiner Ausbildung irgendwelche besonderern Hürden in Neuseeland?

Die Ausbildung musste bei mir von der NZQA anerkannt werden. Das kann und sollte man von Deutschland aus in Angriff nehmen, da es mehrere Monate dauern kann. Ich musste sogar meinen Ausbildungsvertrag von 1998 vorlegen. Also alles gut zusammen halten!

Wenn Du die gefühlte Kaufkraft beurteilen müsstest hast Du in Neuseeland mehr oder weniger Geld als vor der Auswanderung?

Die Lebenshaltungskosten sind hier in Neuseeland sehr hoch, was häufig unterschätzt wird. Die Abgaben sind nicht ganz so hoch und man kann selbst entscheiden, welche Zusatzversicherung (zB private Krankenversicherung, private Rentenversicherung) man braucht und wie viel Geld man dafür ausgeben möchte. Wir fragen uns allerdings immer wieder, wie ein normaler Arbeiter mit Durchschnittsgehalt hier in Neuseeland zurechtkommt. Wir verdienen im Vergleich eigentlich ganz gut, haben allerdings auch unsere Ansprüche an eine gute Wohnung und einen entsprechenden Versicherungsschutz.

Church of the Good Shepherd; Lake Tekapo, Neuseeland

Church of the Good Shepherd; Lake Tekapo, Neuseeland

Welche 3 Dinge gefallen Dir am besten am Leben im Neuseeland?

  • Die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit, besonders auf dem Land.
  • Die Work-Life-Balance finde ich gut (es gibt keine Streiks!). Überstunden macht hier kaum einer und Arbeitnehmer werden viel mehr geschätzt … Und es gibt genügend Möglichkeiten sich in der Natur zu entspannen.
  • Das Klima. Nach einem Regenschauer muss man nicht lange auf schönes Wetter warten. Also zumindest hier in Canterbury … nicht in Auckland ;).
  • Vieles ist einfach einfach. Alles geht online und es gibt genug Kitaplätze.
    OK, das waren jetzt vier Dinge…

Welche 3 Dinge aus Deutschland vermisst Du hier in Neuseeland am meisten?

  • Familie
  • Saunalandschaften und allgemein die Vielfältigkeit etwas zu unternehmen
  • Aldi, Ikea, Amazon, dm-Markt und einen guten deutschen Bäcker!

Was fandest Du an der Auswanderung persönlich am schwierigsten?

Der Vorbereitungsprozess und die finanzielle Belastung im ersten Jahr. Wir haben alles ausgegeben, alles auf eine Karte gesetzt und haben wieder bei Null anfangen müssen.
Nach fast 4 Jahren ist es jetzt eher die Entfernung von der Familie. Man ist quasi komplett auf sich alleine gestellt und kann nur sehr schwer an dem teilhaben, was daheim in Deutschland passiert. Geburten, Geburtstage, Hochzeiten oder Sterbefälle, all das haben wir in der Zeit schon verpasst.

 War es aus heutiger Sicht eine gute Entscheidung nach Neuseeland auszuwandern?

Auf jeden Fall war es die richtige Entscheidung. Es hat unseren persönlichen Horizont wieder einmal enorm erweitert und wir werden unser ganzes Leben lang daran festhalten können, egal wo wir sind. Ich kann jedem empfehlen einige Zeit ins Ausland zu gehen (z. B. mit Work & Travel), nicht nur nach Aotearoa. Man bekommt eine ganz neue Sicht auf viele Dinge.

New Brighton Pier, Christchurch

New Brighton Pier, Christchurch

Überlegst Du manchmal ob Du zurück nach Deutschland gehen sollst?

Wir denken nicht nur darüber nach, sondern werden irgendwann in den kommenden Jahren zurück nach Deutschland gehen. Wir möchten dass unser Sohn mit Oma, Opa, Onkels, Tanten und Cousins aufwächst und dass wir ebenfalls persönlich wieder teilnehmen können. Wäre unser Verhältnis zur Familie nicht so stark würden wir wohl hier bleiben. Wir freuen uns auch wieder auf die ‘Traditionen’, wie Schuetzenfest, Kirmes, Karneval, Weihnachtsmärkte, die Nähe zu anderen europäischen Städten zum erkunden, Kulturangebote, etc. Das ist hier etwas kurz gekommen.

Du lebts in Christchurch auf der Südinsel. Würdest Du anderen Auswanderern auch raten dorthin zu ziehen?

Christchurch liegt klimatisch im recht trockenen Canterbury am Meer. Die Alpen sind aber auch nur eine gute Stunde entfernt, sodass man viele Möglichkeiten zum Wandern und Skifahren hat – aber eben auch zum Tauchen oder Surfen. Man könnte theoretisch morgens surfen gehen und nachmittags Ski fahren (zumindest im Winter) ….ziemlich beeindruckend wie wir finden!

Während Touristen in Christchurch die vielen Baustellen sehen, sehen wir die Bauabschnitte, die gerade fertig gestellt wurden, hin zu einer neuen und moderneren Stadt. In 10 Jahren wird es hier richtig toll sein!

Wie fast überall in Neuseeland sind die nächst größeren Städte mehrere Fahrstunden entfernt. Christchurch hat alles was man braucht und allgemein hat die Südinsel viel Natur zu bieten.

Mehr Interviews mit Neuseeland-Auswanderern findet ihr hier.

 

 

 

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