“Wie funktioniert eigentlich das Schulsytem in Neuseeland?”, werde ich immer mal wieder von Eltern gefragt, die überlegen nach Neuseeland auszuwandern. Da man die Schulsysteme von Neuseeland und Deutschland nur bedingt vergleichen kann, habe ich hier mal die wichtigsten Informationen zusammen getragen. Mein Sohn geht ja noch in den Kindergarten, aber durch Gespräche mit Freunden, die Kinder im Schulalter haben, konnte ich mir schon ein ganz gutes Bild von den Schulen in Neuseeland machen. Natürlich sind diese Informationen allgemein und es kann immer die ein oder andere Schule geben, die aus der Reihe fällt.
Das neuseeländsche Schulsystem
Im Prinzip hat Neuseeland ein staatlich kontrolliertes Schulsystem mit kostenlosen staatlichen Schulen. Es gibt aber auch gebührenpflichtige Privatschulen. Außerdem gibt es noch staatlich integrierte Schulen (state-integrated schools). Das sind meist ehemalige Privatschulen, die nach einer Schulreform in den 1970er Jahren in das staatliche Schulsystem von Neuseeland integriert wurden und jetzt nicht mehr privat sind, aber dennoch einen Sonderstatus haben. Viele integrierte Schulen sind katholische Schulen.
Die meisten Schulen haben Schuluniformen und der Unterricht geht meist von 9Uhr bis 15Uhr – auch in der Grundschule. In Neuseeland gibt es keine Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium, sondern alle Schüler besuchen zusammen die Grundschule (Primary School), Intermediate School (Mittelschule) bzw Highschool (Gesamtschule). Es gibt gemischte Schulen und auch reine Jungs-oder Mädchenschulen.
Daycare – Kindergarten und Kita
Early Childhood Education wird hier in Neuseeland wörtlich genommen: Betreuung für Kleinkinder versteht sich auch als “Education” und nicht nur als “Aufbewahrung”. Auf dem Lehrplan steht zB “Teilen lernen” oder “in einer Gruppe mitmachen”. Die Kita meines Sohnes hat ein Online-Portal, wo seine Kindergarten-Teacher Berichte über seine Fortschritte schreiben. Es werden auch schon im Kindergarten ein paar spielerische Übungen zu Zahlen und Buchstaben gemacht.
Ab 3 Jahre sind 20 Stunden Kindergarten pro Woche kostenlos. Darüber hinaus gibt es für Familien mit geringem und mittlerem Einkommen Childcare Subsidy (staatliche Zuschüsse für die Kinderbetreuung) wenn die Eltern arbeiten. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich nach dem Einkommen: Wer mehr als 1400 NZD Brutto Haushlateinkommen verdient bekommt keine Zuschüsse mehr. Ob man allerdings als “frischer Einwanderer” sofort Zugriff auf diese finanzielle Unterstützung hat, kann ich leider nicht sagen.
Babys könnte man theoretisch schon ab 6 Wochen in eine Betreuung geben und es gibt eine große Auswahl an Kitas und Kindergärten, so dass eigentlich jedes Kind einen Platz findet. Außerdem gibt es noch Tagesmütter die Kinder in ihren eigenen 4 Wänden betreuen.

Ein Teil des Lehrplans meines Sohnes im Kindergarten
Primary School – Grundschule
Eine Schulpflicht/Beschulungspflicht besteht ab dem 6. Lebensjahr. Die meisten Kinder gehen aber an ihrem 5. Geburtstag in die Grundschule. Dort landen sie, je nach Geburtsmonat, in der 1.Klasse oder in einer Art Vorschul-Sammelklasse. Ich persönlich habe den Eindruck, dass der Übergang zwischen Kindergarten und Grundschule in Neuseeland eher fließend ist.
Wir haben die Grundschule besucht, auf die mein Sohn später gehen wird: Dort wurde in der 1. und 2. Klasse eher “gespielt” und in kleinen Gruppen gelernt. Frontalunterricht haben wir bei unserem Rundgand nirgends gesehen. Grundschulen gehen meist bis zur 6. Klasse. Wenn die Intermediate School integriert ist, dann bis zur 8. Klasse.
Die Eltern müssen an den meisten Schulen eine Schuluniform kaufen und die Schreibunterlagen für die Kinder anschaffen. Schulausflüge und Exkursionen kosten extra. Die Schule ist im Prinzip zwar kostenlos, aber viele Schulen fragen nach einer “Spende” (meist wenige hundert NZD pro Jahr). Die muss man nicht zwingend bezahlen, es gehört aber zum guten Ton. Kinder deren Eltern die Spende nicht bezahlen, dürfen aber nicht benachteiligt werden. Oft gibt es auch ein Schulfest, wo sich die Eltern einbringen sollen, auf denen allerhand verkauft, verlost und versteigert wird. So wird zusätzliches Geld für die Schule gesammelt.
Intermediate und Highschool – Weiterführende Schulen
Intermeditate Schools sind für Schüler der Klassen 7 und 8. Manchmal geht aber auch die Grundschule bis zur 8.Klasse oder die High School fängt schon ab der 7. Klasse an. Schulpflicht herrscht nur bis 16 Jahre aber nach der 13. Klasse ist die Schulausbildung auf jeden Fall beendet. Ab der 11./ 12. Klasse wird der Unterricht generell viel anspruchsvoller mit vielen Tests und Hausaufgaben.
Die High Schools sind sehr unterschiedlich und auch die Fächerauswahl ist je nach Schule verschieden.
Oft wird Deutsch als Fremdsprache angeboten. Manche High Schools “streamen”. Das bedeutet die Schüler werden für verschiedene Fächer in verschiedene Kurse eingeteilt. Manche High Schools “streamen” alle Schüler in Klassen (fast wie Gymnasium, Realschule und Hauptschule) und manche Schulen machen gar kein oder kaum Streaming.
Auch in den weiterführenden Schulen müssen die Eltern meist eine Schuluniform kaufen, das Schreibmaterial besorgen und Ausflüge/Exkursionen extra bezahlen. Außerdem kommen ab der 11. Klasse noch Gebühren für die NCEA Examen hinzu. Die Spenden die eine Highschool erwartet sind etwas höher als bei den Grundschulen. Viele Eltern empfinden diese “versteckten Kosten” die man bezahlen muss ärgerlich, weil es ja eigentlich heißt, Schule sei “kostenlos”.
Schule in Neuseeland ist anders
Allgemein kann man sagen, dass es in neuseeländischen Schulen weit weniger Stress und Lerndruck für die Kinder gibt. Der Lehrplan ist nicht so vollgepackt und es gibt viel Projektarbeit und Gruppenarbeit. Die Lehrer sind meist nicht so streng und außerdem ist Sport wichtig. Die Schule läuft wohl eher so vor sich hin und wird erst in den höheren Klassen wirklich anspruchsvoll. Auswanderer-Kinder, die von einer deutschen Schule auf eine neuseeländische Schule wechseln, haben wohl im allgemeinen keine großen Probleme mitzukommen. Eher im Gegenteil: Es fühlt sich wohl so an, als hätte jemand den Fuss vom Gas genommen und es geht etwas gemächlicher zu.
Für Kinder, die sich gerne reinhängen und viel Leisten wollen und in der Schule voll gefordert werden wollen, kann das natürlich eine ziemliche Umstellung sein. Auch manche Auswanderer sind zu Anfang skeptisch, ob der Spößling denn in der neuseeländischen Schule auch “genug lernt”.
Meine persönliche Meinung ist: Ja, es wird genug gelernt! Auch Neuseeland bringt Raketeningenieure, NASA-Wissenschaftler und High Tech-Unternehmer hervor. So schlecht kann das neuseeländische Schulsystem also nicht sein. Und Wenn ich mir vorstellle wie der Arbeitsalltag meines Sohnes in 20 Jahren aussehen wird, dann ist für mich wichtiger, dass er in der Schule gerne lernt und sich gut entwickelt.
Darüber, dass der neuseeländische Lehrplan etwas schmäler ausfällt und es nicht jeden Freitag ein Diktat gibt, kann ich als Mutter hinwegsehen.
Neuseeland hat mit seinen 4,8 Mio Einwohnern nur etwas mehr Einwohner als das Bundesland Sachsen. Dass eine Schulreform, Änderungen am Lehrplan und die Einführung moderner Lehrmethoden in Neuseeland einfacher sind, als im federal organisierten Deutschland, mit knapp 83 Mio Einwohnern, scheint mir logisch.
Mir jedenfalls hat gefallen, was ich beim Rundgang durch Davids zukünftige Primary School gesehen habe. Ehrlich gesagt, kann ich kaum erwarten, dass er in die Schule geht.
Hier gibt es noch mehr Infos zum Schulsystem in Neuseeland:
Newzealandnow
education.govt.nz
Hier geht es zum 2.Teil des Artikels über das Schulsystem in Neuseeland, wo ich von Neuseelands PISA Rankings, dem “Decile”-System, den Schulzonen, Mobbing in der Schule, Schulgebühren für Ausländer und der Möglichkeit von Home Schooling in Neuseeland berichte.