Nadine und Stefan leben schon seit mehr als 10 Jahren in Neuseeland und haben zwei Kiwi-Kinder. Nach langen Jahren in Auckland haben sie der Großstadt den Rücken gekehrt und sich in der Hawkes Bay nochmal komplett neu erfunden: In Hastings betreiben die beiden jetzt das Weingut Oak Estate Wines mit Küche und Weinverkostungen. In ihrem markanten roten Scheunengebäude unter der alten Eiche gibt es auch einen kleinen Shop, wo man ihre eigenen Weine und allerlei Leckereien kaufen kann. Mit ihren Gästen und dem Weinberg haben sie während der Saison alle Hände voll zu tun.
Markus und ich leben ja in Gisborne und da bietet sich Hastings für einen netten Wochenendtrip an. So haben wir die beiden mal auf ihrem Weingut besucht. Ich hab mich mit Stefan unterhalten, um herauszufinden, wie sie vor 10 Jahren nach Neuseeland ausgewandert sind und warum Neuseeland so unternehmerfreundlich ist.
Wart ihr vor der Auswanderung schonmal in Neuseeland?
Ja, wir waren 2002 das erste Mal zusammen in Neuseeland. Wir waren noch sehr jung und wollten einfach nur Auslandserfahrung sammeln. Ich hatte als Koch überhaupt kein Problem einen Job zu finden und bekam direkt vom Hilton Hotel in Auckland ein Jobangebot. Auch Nadine fand als Hotelfachfrau direkt einen Job in einem Hotel. Damals war das mit dem Visum noch nicht so kompliziert wie heute: Ich bin einfach nur zum Office von Immigration New Zealand gefahren, hab das Formular ausgefüllt und mir wurde direkt vor Ort das Work Visa ausgestellt. Kein Medical Check und keine Wartezeit. Ich bin eine Stunde später mit dem Visum im Pass rausgekommen und konnte sofort anfangen zu arbeiten. Das waren noch Zeiten!
Wann hattet ihr die Idee auszuwandern und warum nach Neuseeland?
Das Leben und der Lifestyle in Neuseeland gefielen uns wirklich gut. Als wir damals hier waren, fiel uns auf, dass es nicht wirklich viele gute Restaurants in Auckland gab. Außerdem ist Neuseeland ein sehr unternehmerfreundliches Land und wir träumten schon damals davon, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Aber wir waren noch jung und nach einem Jahr sind wir wieder nach Europa zurück gegangen. Doch unser Plan war immer, wieder nach Neuseeland zu kommen und dann was eigenes zu eröffnen.
Welchen Beruf hattet ihr in der Schweiz?
Ich bin gelernter Koch und Nadine hat vor der Auswanderung noch ihre Hotelmeisterin gemacht.
Wann seid Ihr nach Neuseeland ausgewandert?
2007 sind wir dann nach Neuseeland zurückgekommen um endgültig hier zu bleiben. Um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen haben wir beide erstmal eine Festanstellung angenommen. Nadine hatte in der Schweiz bei einer internationalen Hotelkette gearbeitet und konnte sich quasi einfach nach Auckland versetzen lassen. Ich fragte wieder beim Hilton Hotel an und konnte dort wieder als Koch anfangen. Als wir diesmal unsere Work Visa beantragen wollten, war auf einmal alles viel komplizierter als noch ein paar Jahre zuvor: Jetzt musste man seinen Antrag einreichen und ein paar Wochen warten. Alles war viel bürokratischer.
Als wir dann 2008 unsere Residence Visa in der Tasche hatten, kündigten wir unsere Jobs und eröffneten unser eigenes Restaurant “PURE” in Herne Bay in Auckland. Das lief ziemlich gut und wir konnten uns einen Namen machen. Es ist hier in Neuseeland viel einfacher Angestellte zu haben, weil es keine bzw nur minimale Beträge zur Sozialversicherung gibt. Darum sind die Personalkosten in Neuseeland wesentlich geringer als zB in Deutschland. Außerdem ist man als Selbständiger genauso im staatlichen Gesundheitssystem versichert wie ein Angestellter und bekommt auch später die selbe Grundrente wie alle anderen. Viele Kiwis haben ein eigenes Business – weil es unkompliziert ist.
Nach 5 Jahren hatten wir mit dem Restaurant einen Punkt erreicht wo wir uns hätten vergrößern müssen, weil die Räume einfach zu klein geworden waren. Auf der anderen Seite hatten wir aber mittlerweile zwei Kinder und wollten mehr Freizeit haben. So haben wir das Restaurant schließlich verkauft und ich arbeitete eine Weile als Dozent an der New Zealand School for Food and Wine in Auckland.
Hat man als Koch auch heute noch gute Chancen nach Neuseeland auszuwandern?
Naja, seit wir damals ausgewandert sind hat sich bei den Visa Regeln viel geändert. Wegen dem boomenden Tourismus in Neuseeland wird man als Koch sicher keine Probleme haben Jobangebot zu finden. Dann ist es kein Problem ein temporäreres Work Visa zu beantragen. Schwieriger wird es ,wenn man dauerhaft in Neuseeland leben will: Die Kriterien für das Resident Visa wurden ja immer weiter verschärft und besonders das geforderte Mindestgehalt könnte bei einem Koch das Problem sein: Als Chef de Partie verdient man vielleicht 20 NZ$ pro Stunde und als Sous Chef vielleicht 24 NZ$ (Stand: 2018).
Wieso habt ihr Auckland verlassen und warum hat es Euch gerade nach Hastings verschlagen?
Die Hawkes Bay ist eine der schönsten Ecken von Neuseeland und hatte uns schon immer gereizt: Wir waren ein paar Mal zum Urlaub machen hier und das Klima ist einfach super. Außerdem ist alles viel relaxter als in Auckland. Das Leben in der Großstadt wurde uns zu hektisch. Dann zogen nach und nach einige unserer Freunde aus Auckland weg und ließen sich wo anders in Neuseeland nieder. Unsere Kinder waren nicht mehr ganz so klein und wir hatten einfach Lust auf Veränderung. Da haben wir unser Haus in Auckland verkauft und uns das Weingut hier in Hastings gekauft.
Ihr habt jetzt nicht nur die Küche, den Ausschank und den Shop sondern seid auch das erste Jahr Weinbauern. Wie bekommt ihr das alles unter einen Hut?
Als erstes musste ich Traktorfahren lernen und vom Weinbau hatten wir anfangs ja auch nicht viel Ahnung. Das mussten wir alles lernen. Zum Glück bekommen wir viel Hilfe und Ratschläge von unseren Nachbarn, aber der Weinberg ist sehr viel Arbeit. Unseren Wein stellen wir nicht selbst her. Wir ernten die Trauben und lassen den Wein von einem Kellermeister hier vor Ort keltern und abfüllen. Aber wir sind stolz unseren eigenen Wein verkaufen zu können: Zwei Chardonnays, Pinot Gris, Oak Estate Rose, Merlot und einen Syrah.
Oak Estate Wines ist bewusst kein volles Restaurant sondern eine “Casual Kitchen”. In der Küche verwende ich hauptsächlich regionale Produkte und ich biete leichte Gerichte an, die geschmacklich aufregend sind. Platters mit selbstgebackenem Brot und Nachtisch stehen natürlich auch auf der Karte und an bestimmten Tagen haben wir für Dinner geöffnet.
Uns ist wichtig, dass die Qualität stimmt und dass die Gäste hier relaxen können.
Wer möchte kann sich unsere Picknickdecken oder Bean Bags schnappen und es sich zwischen den Weinreben gemütlich machen. Aber wir sind auch für größere Gruppen und Functions eingerichtet.
Kannst Du Dir vorstellen wieder nach Europa zurück zu gehen und was vermisst Du hier in Neuseeland?
Nein, eigentlich nicht. Wir haben hier viel erreicht und können uns nicht vorstellen nach Europa zurück zu kehren. Sicher vermissen wir unsere Familie und die alten Freunde hier, aber Neuseeland ist unsere neue Heimat geworden. Schließlich sind unsere Kinder hier geboren und aufgewachsen.
Wer mal bei Nadine und Stefan in Hastings auf ein Gläschen Wein vorbeischauen möchte findet alle Infos hier auf der Oak Estate Wines Facebook Seite und auf der Webseite.
Hier könnt Ihr Oak Estate Wines auf Google Maps anzeigen
Mehr Interviews mit Neuseeland-Auswanderern findet ihr hier