Ein neues Auswanderer-Interview! Durch den Kiwifinch-Blog habe ich über die Jahre viele deutschsprachige Neuseeland-Auswanderer kennengelernt. Jeder hat seine ganz eigene Auswanderer-Geschichte und auch jeder Visa-Antrag läuft anders ab. Ich hoffe mit diesen Interviews kann ich den Ablauf einer Auswanderung nach Neuseeland etwas anschaulicher und greifbarer machen. Für das heutige Interview habe ich mit Kaja gesprochen. Sie lebt mit ihrem neuseeländischen Freund in Wellington und arbeitet im Bereich Recruitment und HR. Außerdem ist sie die Autorin des Reise Know-How Reiseführer Neuseeland der erst kürzlich veröffentlicht wurde.
Wann hattest Du die Idee auszuwandern und warum nach Neuseeland?
Seit Ende meines Studiums im Jahr 2000 habe ich mit dem Gedanken gespielt auszuwandern. Im Laufe der nächsten zehn Jahre habe ich mir verschiedene Länder unter diesem Aspekt angesehen. Das letzte Land, das ich ausgiebig begutachtet habe, war Neuseeland in 2012.
Anfangs hat mich Neuseeland nicht überzeugt, meine Erfahrungen passten nicht mit dem zusammen, wie ich mir das Land aufgrund von Medienberichten vorgestellt hatte. Alles war viel kleiner und weniger dramatisch, als erwartet (Landschaft und Natur). Aber im Laufe meiner 4-monatigen Begutachtungsreise wich die erste Enttäuschung purer Begeisterung.
Wie haben Deine Eltern reagiert als Du ihnen gesagt hast dass Du nach Neuseeland auswandern willst?
Meine Eltern waren nicht begeistert und sind es immer noch nicht. Aber sie versuchen, sich damit abzufinden und sich einzureden, dass es doch nichts Besseres gibt, als sein Kind glücklich zu sehen.
Wie lange vorher hast Du angefangen deine Auswanderung zu planen?
Zwischen Begutachtungsreise und Auswanderung vergingen keine sechs Wochen. Das war die Zeit, die ich gebraucht habe, um meinen Hausstand in Deutschland aufzulösen. Im April 2013 bin ich mit dem Ziel eingereist, zu bleiben.
Welchen Beruf hattest Du in Deutschland?
Ich hatte ursprünglich Sonderschulpädagogik und dann später Business studiert. Zum Zeitpunkt der Ausreise hatte ich als Niederlassungsleiter in einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Dasselbe habe ich dann in Neuseeland auch gemacht.
Warst Du in Neuseeland als Du auf Jobsuche warst?
ja, ich habe mir vor Ort einen Job gesucht. Das erschien mir am erfolgversprechendsten.
Wie schwierig fandest Du die Jobsuche und wie lange hat es gedauert bis Du einen Job gefunden hast?
Es vergingen nur vier Wochen von meiner Einreise bis zur Vertragsunterschrift. Weitere zwei Wochen, bis ich das Arbeitsvisum in der Hand hatte. Da hatte ich natürlich echt Glück, aber es war auch harte Arbeit: Ich hatte mir alle relevanten Firmen in Auckland in einer Karte eingezeichnet und habe überall persönlich vorgesprochen. Manpower in Auckland hat mir dann einen Job in Wellington angeboten.
Auf welchem Visum hast Du gearbeitet als Du hier Deinen ersten Job angenommen hast?
Ich hatte ein Work Visa, weil das schneller ging, als das Residence Visa. Kurz nachdem ich das Work Visa in der Tasche hatte, habe ich mich dann auf das Residence Visa (Skilled Migrant) beworben. Es hat ca. 6 Monate gedauert bis ich alle Papiere zusammen und das Visum in der Hand hatte.
Hast Du Dein Visa mit oder ohne Auswanderungsberater beantragt und würdest Du es heute wieder so machen?
Ohne. Würde ich immer wieder so machen. Ich bin mir nicht sicher, wozu ich einen Auswanderungsberater bräuchte. [Anmerkung von Christine: Damals waren die Visa-Gesetze auch noch etwas lockerer und der Ansturm an Einwanderungswilligen nicht gar so groß wie heute]
Du arbeitest ja im Bereich Recruitment. Hast Du irgendwelche Tipps für deutsche Einwanderer die in Neuseeland einen Job suchen?
Es ist schwierig, das pauschal zu beantworten. Generell ist es einfacher, vor Ort in Neuseeland einen Job zu finden, als von Deutschland aus. Seek.co.nz ist ein guter Startpunkt, um den hiesigen Markt und die Gehälter zu verstehen. Viele Deutsche vergessen bei der Jobsuche, dass sie Ausländer sind und gegen Einheimische antreten. Die Recruiter und Arbeitgeber kennen viele der Firmen im Lebenslauf von Einwanderern genant sind nicht und sind auch mit dem deutschen Bildungssystem nicht vertraut. Der Lebenslauf erscheint daher oft weniger aussagekräftig.
Um dem entgegenzuwirken macht es Sinn, zu den deutschen Firmennamen die Branche und eine signifikante Kennzahl wie Mitarbeiterzahl oder Umsatz hinzuzufügen. Das schafft Kontext. Und natürlich muss man den Lebenslauf an den neuseeländichen Standard anpassen und sollte ihn von einem Muttersprachler Korrektur lesen lassen. Zudem lohnt es sich durchaus auch, etwas Geld in einen Englischkurs oder ein Bewerbungstraining (auf englisch) zu investieren. Wer in einem Bewerbungsgespräch sitzt, muss sich bestens verkaufen. Nach Wörtern und Fachbegriffen suchen wird häufig als Inkompetenz gewertet. Aber wie gesagt, es ist schwierig, das Thema zu pauschalisieren. Während ein ITler im Bereich Security sicherlich kein Problem hat, einen Job zu finden, wird es ein Marketing-Mitarbeiter bedeutend schwieriger haben. Ein guter Anlaufpunkt sind immer Recruitingfirmen. Die kennen den Markt und geben ehrliches Feedback – jedenfalls wenn man ihnen gegenüber sitzt.
Welche 3 Dinge gefallen Dir am besten am Leben im Neuseeland?
- The Great Outdoors
- Weniger Statusdenken
- Das Meer
Überlegst Du manchmal ob Du zurück nach Deutschland gehen sollst und welche 3 Dinge aus Deuschland vermisst am meisten?
Nein, nach Deutschland möchte ich nicht zurück. Ich vermisse meine Freunde aus Deutschland, meine Muttersprache sprechen zu können und deutsche Preise.
War es aus heutiger Sicht eine gute Entscheidung nach Neuseeland auszuwandern?
Ja, es war die beste Entscheidung. Da hab ich keine Zweifel.
Du lebst in der Hauptstadt Wellington. Würdest Du anderen Auswanderern auch raten dorthin zu ziehen?
Puh, das ist schwierig. Also generell würde ich sagen, dass man erst einmal dahin gehen soll, wo man Arbeit findet. Und dann kommt es natürlich darauf an, was einem wichtig ist. Wenn man Städte mag, ist Wellington sicherlich eine gute Adresse: Klein, übersichtlich, mit einer großen Kunst-, Musik- und Bierszene und internationalem Flair. Aber wer die freie Wahl hat, sollte auch einen Blick auf kleinere Städte werfen, die geographische Vorzüge haben: Möchte man in den Bergen wohnen, ist Wanaka sicher einen Blick wert. Wer Meer mag, sollte einen Blick z.B. auf Gisborne und Napier werfen. Und wem Sonne wichtig ist, kann Nelson oder Whangarei in Betracht ziehen. Outdoor-Fans könnten sich z.B. in Taupo umsehen. Letztlich kommt es immer darauf an, warum man nach Neuseeland zieht und was einem wichtig ist. Um zurück auf die Frage zu kommen: Ein Nachteil von Wellington ist das Wetter. Es ist sehr unbeständig und Wellington gilt als eine der windigsten Städte der Welt. Zudem ist die Lage am Ende der Nordinsel für (Wochenend-) Ausflüge etwas einschränkend. Da gibt es strategisch besser gelegene Orte. Wäre mein Partner nicht wegen seiner Arbeit an Wellington gebunden, würde ich wahrscheinlich nach Taupo ziehen.
Wie kam es dazu dass Du den Reise Know-How Reiseführer für Neuseeland geschrieben hast? War das nicht eine Menge Arbeit?
Ich hatte u.a. den Reise Know-How Verlag mit ein paar Buchideen angeschrieben. Aber der Verlag wollte unbedingt, dass ich einen Reiseführer über Neuseeland schreibe. Eigentlich war mir das zu viel Arbeit, aber letztlich haben sie mich überredet und es passte es ganz gut in meinen damaligen Alltag. Und ein Buch zu schreiben ist ja auch ganz cool, oder? Den Vertrag hatte ich über ca. 500 Seiten, letztlich sind es dann doch 744 Seiten geworden. Ja, das war eine Menge Arbeit und erforderte tägliche Disziplin. Morgens habe ich bei einer der führenden Computerfirmen gearbeitet, nachmittags wurde am Buch geschrieben.
Die Zeit wurde knapp und natürlich hat es dann doch länger gedauert, als geplant. Alleine am Text habe ich 12 Monate gearbeitet. Die Karten, Bilder und Korrekturen haben nochmal 3 Monate in Anspruch genommen. Die meisten Gegenden und Orte hatte ich bereits auf meiner viermonatigen Neuseelandreise und in zahlreichen folgenden Urlaubs- und Wochenendreisen besucht. Was mir noch fehlte, habe ich in meinen Urlaubsplan eingebaut. Ich habe auch viele Freunde, die teilweise in anderen Orten wohnen, um Input gebeten. Und dann gibt es ja auch noch das liebe Internet, das bei den Details hilft…
Mehr Interviews mit Neuseeland-Auswanderern findet ihr hier
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